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Wie alles zu mir kam

Im September 1956 kam ich in Berlin-Tempelhof auf die Welt und in eine Familie, die aus rund 50 Figuren bestand. Die Frauen neben Hausfrau und Mutter häufig Näherinnen, auch Angestellte. Die Männer fast alle Handwerker. Lediglich ein oder zwei Ingenieure waren darunter, die zu dem auch noch selbstständig ihren Beruf ausübten. 3 Ur-Großmütter und zwei Ur-Großväter erlebte ich noch. Da musste ich doch irgendwann beim Handwerk landen. Noch dazu, wo der eine Ur-Großvater neben dem Schuhmachermeister ein Spökenkieker – was für Warzenbesprecher und Hellseher stand – und seine geschiedene Frau und meine Ur-Großmutter das Handauflegen verstand, was ich aber erst nach der Entdeckung meiner eigenen Gabe erfuhr.

Meine Kindheit und Jugend entsprach der einer einfachen bürgerlichen Familie. Unter der Woche lebte ich bei meiner Oma. Dort lebte neben mir noch ein Teenager, der stolz war meine Tante zu sein und eine meiner Ur-Großmütter, die von ihrer Schwiegertochter liebevoll gepflegt wurde. Die Bedingungen, waren günstig. Die große Familie, der große Spielplatz direkt vor der Tür, ein noch größerer 10 Minuten zu Fuß entfernt, boten viel Beobachtungs-, Erfahrungs- und Entfaltungsmöglichkeiten. Mein Drang nach draußen in die Freiheit war stets groß. So groß, dass ich gelegentlich zu spät heim kam. Oma nötigte dieses stets den Teppichklopfer zu holen und mir damit den Hintern zu versohlen. Meist geschah das im Sommer, weil es länger hell war. Fast immer trug ich kurze Lederhosen. Leider traf sie die Hose nicht immer ganz, aber sie versicherte mir stets, dass es ihr noch viel mehr weh tun würde. Dafür durfte ich mir unter ihren Fittichen beim spielen die Knie aufschlagen und Beulen holen. Bei meiner überfürsorglichen Mutter wäre das nicht gegangen. Auch wurde ich als Einzelkind sehr verwöhnt und bekam viel Aufmerksamkeit geschenkt. Das Angebot war schon breit.

Neben dem Teppichklopfer, gab es auch noch die anderen zu der Zeit üblichen Machtinstrumente. So schaffte es meine Großmutter tatsächlich mir ein schlechtes Gewissen zu bereiten, auch wenn sie dafür zu einer Lüge griff, um mich gefügig zu machen. Doch es war ja nie böse gemeint, sie wollte aus mir einen anständigen Menschen machen und wusste sich nicht besser zu helfen. Die Ratgeber, die wir heute haben, gab es nicht. Und wenn, hätte die Zeit zum Lesen gefehlt. Auch meine Mutter hatte damals den Flitz, man müsse einem 3jährigen Kind erst mal den Willen brechen. Doch außer meinem Willen nach freiem Himmel und frischer Luft hatte ich eh keinen weiteren. Der kam erst mit der Pubertät. Da entschied ich, ich will mal so viel verdienen, wie meine Eltern zusammen. Das kam, weil sich meine Eltern oft ums Geld stritten. Obwohl mein Vater stets zusätzliches Geld durch Nebenjobs heran schaffte, war es scheinbar nicht genug.

Was werden wollte ich nie. Wozu auch, ich war ja schon. Darum hatte ich auch nie ein berufliches Ziel. Als 5jähriger Stepke wurde ich von den Erwachsenen gefragt, was ich denn mal werden möchte. Meine Antwort: „Ach, ich mach’s wie Oma. Ich gehe auf die Post und hol mir mein Geld ab.“ Oft hatte ich sie auf dem Weg begleitet, wenn sie ihre Witwenrente abholte. Das war wohl schon die Vision des bedingungslosen Grundeinkommens.

So hatte ich am Ende der Schulzeit zwar ein Abi, aber keinen Plan gehabt. Doch das SEIN griff mir liebevoll unter die Arme. Mit acht begann ich Handball zu spielen. Mit siebzehn verlor ich die Lust, weil meine Mannschaftskameraden lieber zur Tanzstunde gingen, als zum Training. Das wurde meinem sportlichen Ehrgeiz nicht gerecht. Auf einen Tipp hin wechselte ich zum Post SV. Der hatte keine Jugendabteilung und ich ließ mich vorzeitig zu den Männern hoch schreiben. Nun saß ich nach dem Training mit viel älteren, gestandenen Männern in der Kneipe, schon Jahre im Beruf. Meine Orientierungslosigkeit erkennend, sagte irgendwann einer, komm doch zu uns, zu Herlitz und lerne Industrie-Kaufmann. Elf Jahre später saß ich im dicken Ledersessel am Schreibtisch mit Ledereinlage und leitete ein Verkaufsbüro. Dort saß ich und fragte mich in einer ruhigen Minute: „Wie bin ich den hierhergekommen?“ Eine Bewerbung hatte ich auf meinem Weg über 3 Stationen nie geschrieben, wurde stets abgeworben.

Doch mein Ziel hatte ich nun erreicht. Ich verdiente jetzt alleine mehr Geld als meine Eltern zusammen. Gleichzeitig lernte ich meine erste Traumfrau kennen (es sollten noch 2 weitere folgen). Ende 20 wollte ich mit ihr eine Familie gründen und Kinder haben. Ihr war das noch zu früh. Mein Ersatzziel, den Umsatz um ein Drittel zu steigern funktionierte auch nicht, weil meine Firma mit den 2 Dritteln schon überfordert war. Keine Lust mir an der Front von meinen Kunden stets Watschen abzuholen, weil kein Bauprojekt planmäßig fertig wurde, verlor ich völlig die Lust. Wusste nicht wohin mit dem vielen Geld und auch nicht wohin mit mir. Innerlich gingen bei mir die Lichter aus, weil ich plötzlich kein Ziel mehr hatte. Der Beginn einer langen Freundschaft mit der Depression. Antriebslos nahm ich die beim Abschied ausgesprochene Einladung meines Exchefs an und ging zu meiner vorherigen Firma zurück. Das war nicht mein Traum, aber ich war aus der Rolle des gut verdienenden Prügelknaben heraus. Dabei hätte ich auch wieder eine Arbeit als Verkaufsleiter haben können, die Konditionen noch besser. 7.000,- DM monatliches Fixum waren verlockend, weitere Aufstiegsmöglichkeiten vorhanden. Den Arbeitsvertrag hatte ich zum unterschreiben schon zu Hause, doch irgendwie hatte ich begriffen, es gab etwas wertvolleres, entscheidenderes als wirtschaftlichen Erfolg im Leben zu erreichen.

Etwas hatte ich beim Verlassen der Firma jedoch herausschmuggeln können. Die Idee mich mit einem Reparaturservice für Bürostühle selbstständig zu machen. Ich war bei einem führenden Hersteller, der sich das „richtige Sitzen“ auf die Fahne geschrieben hatte. Ausgerechnet sitzen. Langes sitzen ist mir auch heute noch ein Greul. Egal ob im Kino, vor dem Fernseher oder auch am Computer. Im Auto werde ich als Beifahrer spätestens nach 45 Minuten unruhig. Als Leiter musste ich gelegentlich unseren Monteur vertreten. Dabei stellte ich fest, dass ich es befriedigender fand, einen Tag lang Stühle zu reparieren, als neue zu verkaufen. Der Kunde musste dafür um die tausend Mark zahlen. Trotzdem fand ich es erfüllender, als für über eine Viertelmillion einen Verkaufsauftrag an Land zu ziehen.

Doch bis ein Depressiver sich selbstständig macht, das kann dauern. Bis dahin war mein neues Ziel erst mal der wöchentliche Gang zum Psychotherapeuten. Zwar verdiente ich nun weniger, doch den zahlte ich immer noch aus der eigenen Portokasse. Ohne den Außendienst, ohne Verkaufsseminare, in denen es um Verkaufspsychologie ging, wäre mir gar nicht aufgefallen, dass ich neben meinem Außenleben auch ein Innenleben, genannt Psyche habe, über die ich mehr wissen wollte.

Meine Lebensbedingungen gefielen mir nicht, waren aber optimal für meine Weiterentwicklung. Genug Geld, keine Kinder, geregelter Feierabend. Freizeit für Weiterbildung ohne Ende. Ich war zwar in meiner alten Firma, jedoch mit neuen Aufgaben betraut. Dass ich neben dem Verkäufer auch sehr gut in Personalführung war, hatte ich erkennen können. Wovon hatte ich noch keine Ahnung? Organisation! Und um die wollte ich mich ab sofort kümmern. Mein Chef ließ mich. Ab in die Bücherei, ich brauchte Literatur zum neuen Thema.

Zum Glück füllte mich meine Arbeit nicht gänzlich aus. Denn da war noch ein weiteres ungeklärtes Problem. 3 Jahre vor meinem Job als Verkaufsleiter, ich war 24, zog ich in meine erste eigene Wohnung. Selbst die kam von ganz alleine zu mir, ohne Suche. Da verbrachte ich erstmals im Leben längere Zeit mit mir alleine. Ich schaute mir das Universum mal etwas intensiver an. Wie riesig war es, unermesslich groß. Gleichzeitig funktionierte es perfekt wie ein Schweizer Uhrwerk, riesige Feinmechanik. Der Kirche und ihrem „Gottesbild“ hatte ich schon während der Konfirmation den Rücken gekehrt nach dem sie mir die kalte Schulter zeigte. (Die Geldgeschenke nahm ich aber trotzdem mit.) Mein „Bild“ von unserem Schöpfer musste ich mir selber machen. Genial und machtvoll musste er sein. Beim Anblick des Universums war mein Gedanke, da hat sich ja einer richtig, richtig ins Zeug gelegt und Mühe gegeben. Wir Menschen auf der Welt dagegen mühten uns eigentlich nur ab. Selbst wenn alles friedlich ohne Krieg verläuft. Der Mensch quält sich durch die Schule, dann durch den Beruf. Dabei wird er alt und krank um am krönenden Abschluss zu sterben. Nebenbei setzt er Kinder in die Welt, damit der Quatsch weiter gehen kann. Der Kaufmann in mir zog eine Zwischenbilanz. Buchhaltung war mir immer zu langweilig. Doch dieses wahnsinnige Missverhältnis lies selbst mich erkennen: Die Bilanz geht nicht auf. Mit der Welt stimmt etwas nicht, und zwar ganz und gar nicht. Gott und die Welt konnte ich nicht verändern. Dass es mein Bild von beiden war, das korrekturbedürftig war, fand ich erst Jahre später für mich heraus.

Die Psychotherapie (Individualpsychologie nach Alfred Adler) lehrte mich nicht nur Psychologie, sondern auch Philosophie. Beides sollte später von der Mystik mehr und mehr abgelöst werden, weil beide meine Fragen nicht zufriedenstellend beantworten konnten. Es war am Anfang gar nicht die Depression, die mich zum Psychologen führte. Anfangs wollte ich heraus finden, warum ich mich in bestimmten Situationen so verhielt, wie ich mich verhielt. Warum tue ich immer wieder dies und das? Immerhin lernte ich, dass man sich z.B. in Konfliktsituationen ganz anders als gewohnt verhalten kann und dann zu ganz anderen Ergebnissen kommt. Die Feststellung meines Psychologen, dass ich ein perverses Überich, also zu streng mit mir war, half mir nicht wirklich weiter. Das Urteil eines anderen Psychologen ich sei ein antidogmatischer Fundamentalist, gefiel mir, half aber auch nicht weiter. Bei allen Gruppen, ob nun psychologisch oder spirituell, entdeckte ich irgendwann inhaltliche Widersprüche, wo durch sie für mich unglaubwürdig wurden. Das Ziel bei den Adlerianern war das Erreichen einer gesunden Lebensführung. Als dann das große Vorbild dieser großen Gruppe einen Herzinfarkt bekam, brauchte ich die Therapie gar nicht abbrechen. Mein Therapeut kam vor mir zu dem Ergebnis, dass ich ihn nicht mehr bräuchte.

Für mich war das stimmig. Hatte ich doch inzwischen den Weg in die Selbstständigkeit gefunden und als Lebensleitfaden den „Kurs in Wundern“. Zu ihm will ich nur so viel sagen, dass er ein Denksystem vermittelt. Für mich Autodidakten ist er ideal, weil es keiner Gruppe bedarf und auch keines Lehrers, weil er selbst der Lehrer ist. Am Anfang war der Inhalt für mich so schwer annehmbar, dass ich ihn immer wieder in die Mülltonne warf. Heute habe ich den dritten oder vierten. Nun aber schon einige Jahre.

Wie kam es zur Selbstständigkeit? Die Idee mit dem Reparaturdienst hatte mich 10 Jahre nie los gelassen. 1998 saß ich am Arbeitsplatz und in mir stieg die Frage auf, wie viele Jahre es noch bis zu meiner Rente sein würden. Als ich mich weiter fragte, ob ich diese Arbeit, die ich sicher beherrschte und gut bezahlt wurde weitere 25 Jahre verrichten wollte, lief es mir eiskalt den Rücken herunter. Jetzt ging alles recht schnell. Parallel dazu kam nach 17 Jahren meine Lebenspartnerin zu dem Ergebnis, dass sich unsere Beziehung erfüllt hätte.

Was unerfüllt blieb, war der Kinderwunsch. Als sie mit fast 40 bereit war, hatte ich mir bis dahin zu viel psychologisches Wissen angeeignet. Ich war nicht mehr unbedarft, sah nur, was man alles falsch machen kann und hatte Angst Vater zu werden.

Ein neues Wohlfühlzuhause fand sich ein Jahr später ein. So kam es zur Zäsur. Im Dezember 1999 zog ich in mein neues Reich und gab gleichzeitig meinen sicheren Arbeitsplatz auf. Die vielen Rücklagen, die ich über die Jahre bilden konnte, waren ein sicheres Polster. Das Loslassen der anderen Sicherheiten quittierte mir das SEIN, in dem es mir die Türen öffnete. So fiel mir eine noch bessere Geschäftsidee, die Inneneinrichtung von Räumen, einfach in den Schoß. Büro-Intakt war geboren. Nach der Gewerbeanmeldung konnten mir nun auch die ersten Aufträge von alleine ins Haus flattern. Es war unglaublich einfach und spannend!

Ein Jahr später, ich war mir inzwischen selbst genug und nicht mehr auf der Suche nach einer Frau, sollte ich trotzdem meine neue Liebe kennen lernen. Das Schicksal wollte es so. Sie hatte 3 Kinder im entzückenden Alter von 11, 13, und 15. Besonders der 15jährige schrie nach männlichen Grenzen, was mir am Anfang seinen Zorn und 3 Jahre später seine Liebe einbrachte. Die Sachbeschädigungen meines Autos, was ich für den weiteren Aufbau meiner Selbstständigkeit brauchte, machten mein Leben nicht gerade einfacher. Doch ich ließ mich nicht vertreiben. Nein, wir zogen 1 Jahr später 2001, kurz vor meinem 45. Geburtstag, an dem ich meinen ersten Marathon lief, zusammen in ein großes Haus. Details unseres Zusammenlebens behalte ich für mich. 2003 zog ein weiteres 15jähiges Mädchen bei uns ein. Es gab für sie Konflikte mit ihrem Vater und seiner Freundin. Bei uns fand sie zu sich und für sich eine Lehrstelle, die ihr Freude machte. Ganz ohne unsere Hilfe. Wir gaben ihr nur den Raum dafür. 2004 hatten meine Partnerin und ich einen Vierjahresplan für unseren weiteren, beruflichen Werdegang.

Die Kinder wurden nach und nach flügge, leider auch die Dame meines Herzens. Die wollte nach über 10 Jahren Alleinerziehung da weiter machen, wo sie mit 21 aufhören musste, weil sie Mutter wurde. Einfach mal machen, was sie will. Sie änderte einfach unseren gemeinsamen Plan. Der Vierjahresplan war auf einen Schlag futsch, das große Haus in Kürze leer. Mein Geschäftspartner, den ich mir wegen der rasch zunehmenden Arbeit ins Boot holen musste, war eher der Arbeitnehmer, als der Unternehmer und für mich Entlastung und Belastung zu gleich. Als Drittes war meine Homepage plötzlich leer und es gab aus unerklärlichen Gründen keine Datensicherung. Auch merkte ich, dass Büro-Intakt anfing von alleine und rund zu laufen. Es fing zart an langweilig zu werden. Ich wusste, Büro-Intakt ist beendet es kommt etwas ganz Neues. Nicht wissend was, rutsche ich zunächst in eine tiefe Krise, wusste nicht wie es weiter gehen sollte. Mit dem Bedürfnis auf autogenes Training und Entspannung legte ich mich im Wohnzimmer auf die Couch. Ich war alleine im Haus. Kaum lag ich glitt ich eine tiefe, tiefe Meditation. Viele Jahre vorher hatte ich versucht zu meditieren. Es wollte mir nicht gelingen. Nun geschah es absichtslos und von alleine. Lange war ich tief im Universum unterwegs. Kaum zurück hatte ich die Eingebung, nun heilende Hände zu haben. Meine spontane Reaktion: Nun drehste völlig ab! Klar, ich hatte immer schon leidenschaftlich gerne Dinge repariert, für mich und für andere. Aber das war immer unbelebte Materie. Dass es die nicht gibt, lernte ich erst später. Der Arztberuf, Heilpraktiker, Therapeut. Nie im Traum hätte ich auch nur ansatzweise danach gestrebt. Und nun gleich Heiler. Aus Büro-Intakt einfach Mensch-Intakt machen? Ich wusste zu der Zeit ja nicht mal, dass es die gab. Meine Hände benutzte ich erst mal dazu, das ganz, ganz weit weg von mir zu schieben.

Eigentlich handlungsunfähig, eher behandlungsbedürftig, musste ich dennoch handeln. Eine Spedition wurde beauftragt meine Habe auf unbestimmte Dauer einzulagern. Packte das wichtigste in mein neues Auto (das alte hatte mir meine Partnerin kurz vor dem Ende beim Auszug ihrer Jungs geschrottet, als wenn der Totalschaden nicht schon groß genug war) und begann 2 Sabbatjahre. Mein geliebtes Motorrad musste ich zunächst zurücklassen. Mein Nachbar war so lieb und brachte es mir 3 Wochen später kostenlos an den Chiemsee. Auf meinen weiteren Stationen in Darmstadt, dem Tessin, in Angeln an der Ostsee und in Fallersleben, machte ich erste, zaghafte Versuche als Heiler. Es brauchte in Darmstadt viel Zeit bis ich mich überwinden konnte für mich heraus zu finden, ob ich nun ein Fall für den Psychiater war oder geistig gesund. Mein erster Versuch zeigte mir, dass das auf der Couch keine Einbildung war. Auch wenn früh Anfragen kamen, wo ich denn meine Praxis hätte, brauchte der Heiler in mir Bildung. Ich hatte ja nicht mal eine Visitenkarte. Ich musste erst mal heraus finden, wer ich in meiner neuen Rolle bin und was ich nicht bin. Er musste sich erst noch aus mir herausbilden. Das Aufsuchen von Heilerinnen und Heilern half mir da wenig, fand mehr Verunsicherung als Sicherheit. Unglaublich was sich auf dieser Bühne alles tummelt. Bis ich zulassen konnte, dass der wahrhafte LEHRER in mir ist, wie in uns allen, brauchte es eine gefühlte Ewigkeit.

Da ich mit und auf dem Motorrad meine tiefste Selbsterfahrung hatte und nicht selten Jesus mein Navi war, sah ich mich anfangs als Motorradschamane. Ich liebte das große Freiheits- und Sicherheitsgefühl, das ich beim biken empfand. Für mich war es sicherer, als das Autofahren. Meine erste Greifvogelfeder fand ich im Odenwald, ein Paradies für Biker. Meine dritte und vorerst letzte am Ornumer Noor in Schleswig-Holstein. Mein Meditationskissen war die Sitzbank meiner Maschine. Mit dem FreiHeilen, entledigte ich mich des Motorradschamanen. Meine letztes Moped habe ich verkauft, als ich eine vierte Feder, die eines Habichts im Franckepark in Tempelhof gefunden hatte. Doch schön, dass ich die Erfahrungen noch oft mit meiner heutigen Frau gemeinsam teilen durfte. Wir möchten die spannende Zeit voller Gaben nicht missen. Wir begegneten stets unglaublich vielen und lieben Menschen.

Leider verlor ich auf meiner Bildungsreise auch all meine Freunde, bis auf einen. Im letzten Kontakt mit meinem Freundeskreis verriet mir ein Freund am Telefon als ich zum Skifahren unterwegs war: „Lutze, andere machen Entwicklungsschritte, du machst immer gleich Sprünge. Da kommt keiner mehr mit.“ Die Anerkennung tröstete mich wenig, aber ich fühlte mich nie wirklich alleine oder verlassen. Einer blieb mir ja auch und der genügt mir. Und wenn ich Hilfe brauchte, war schnell ein neuer Freund plötzlich da, den ich vorher noch nicht kannte. Das Leben ist eben freundlich!

2007 war wieder ein Ortswechsel nötig. Zwar war ich schon lange nicht mehr depressiv, aber die trübe, dunkle Winterzeit, kann auch den stabilsten umhauen. Nach Berlin lockte mich mein lieber Cousin, als er heiter sagte: „Komm doch nach Berlin. Hier gibt es Kranke ohne Ende.“ So schlug ich im Frühjahr 2007 wieder in Berlin auf. Ausgerechnet auch noch in Tempelhof, wo ich nie wieder hin wollte. Die Pläne des Herrn sind nicht immer gleich zu durchschauen.

In dem Gefühl nicht zu leben, sondern gelebt und geliebt zu werde, fand sich auch eine Wohnung ohne mein Zutun. Am Tag des Einzugs verstarb meine Mutter. Nachdem ich vor dem Winter wieder ein eigenes Dach über dem Kopf hatte, konnte sie mich wohl endlich allein lassen und in Sicherheit von uns scheiden. Loslassen konnte sie mich bis zum Schluss mein ganzes Leben lang nicht. So empfand ich ihren Tod für uns beide als Erlösung. Mein Vater lebt noch und liebt mich. Zum Glück konnte ich ihnen zu Lebzeiten noch sagen, dass sie die besten Eltern für mich waren, die ich als Mensch haben konnte.

Da die „Heilarbeit“ für mich kein Geschäftsmodel ist, sondern eine innere Verpflichtung, fing ich an wieder Stühle zu reparieren. Das lief auch gut an, nur ging mein Hauptkunde ein großer ausländischer Konzern in die Insolvenz. So stellte sich am Monatsende immer wieder die Frage, Miete oder KV-Beitrag zahlen. So liefen bei meiner privaten Krankenversicherung, aus der ich nicht heraus kam, schnell Schulden auf. Ein Riegel musste her. Hartz IV. Der unselige, würdelose, für beide Seiten unmenschliche Irrsinn, den ich in dieser Zeit erleben musste, um aus der privaten KV zu kommen, war ein einziger großer Schock. Das Job-Center zu dem ich ging, war in sich von inneren Widersprüchen ganz und gar durchzogen. Große Zweifel kamen mir an dem geistigen Bild, was ich von dem Land hatte, in dem ich lebte, lebe und auch immer noch mehr denn je liebe. Aber vermutlich gehört es überhaupt nicht zu Deutschland, denn wenn, müsste doch der Name deutsch sein. Es kann sich nur um einer dieser Billigimporte handeln. Hoffentlich merkts ja mal einer.

Doch die LIEBE griff wieder ein und führte mich auf wunderbare Weise mit meiner jetzigen Frau zusammen. Meine Mutter nannte mich mal einen Lebenskünstler, das könnten die wenigsten Frauen aushalten. Es gibt aber offensichtlich Frauen, die können das. Sie spielte von Anfang an mit offnen Karten und überreichte mir zu Beginn eine Einladungskarte. Auf der stand: „Suche Liebe, biete ganz viel Ärger.“ Die Einladung nimmt Mann doch an. Für mich hat sich heute der Ärger aufgelöst und ich die Liebe für mich gefunden. Das erste Mal in einer Partnerschaft lebend und nicht in einer Beziehung, halfen wir ihren 2 großartigen Kindern (damals 12 und 15) gemeinsam mit dem Vater, der für uns im Hintergrund gemeinsam mit seiner neuen Frau auch seinen verantwortungs- und liebevollen Beitrag leistete, durch die Pubertät und ins Studium. Witziger Weise hatte ich damit ja bereits Erfahrung, die Eltern machten sie zum Ersten Mal. Als die Tochter zum Studieren auszog, entstand in der Wohnung Raum für mich. Meine Frau wollte ganz mit mir zusammen sein. Doch in der Konsequenz würde ich meinen Hartz IV-Anspruch verlieren. Ein kurzes Gespräch mit dem Steuerberater ergab, es gab nur eine Lösung. Ausgerechnet die erste Frau in meinem Leben, die nicht versuchte mich zu dominieren, mir alle Freiheit der Welt gibt, beschloss für uns beide, dann heirate ich Dich eben! Sie fing wieder an Vollzeit zu arbeiten, ich übernahm den Haushalt. So erwischte es mich mit 57 doch noch. Ich heiratete zum ersten Mal. Ob die innere Stimme, die Wochen vor dem Termin zu mir meinte, ich sei doch noch viel zu jung zum Heiraten, wieder mein perverses Überich war glaube ich nicht. Es war wohl eher der nicht müde werdende Freiheitskämpfer in mir. Einen Tag vor unserem Termin auf dem Standesamt meldete ich mich beim Job-Center ab. Ich wollte nicht, dass meine Frau einen Hartz IV-Empfänger heiratet. Schön war, dass äußere Umstände dafür sorgten, dass als wir uns da Jawort gaben, die Freiheitsglocke im Rathaus Schöneberg zu läuten begann. Das Leben in dieser Welt ist ein einziges Paradox.

Nun war der Haushalt zwar kleiner, aber meine eigene Weiterentwicklung musste ich noch zurückstellen. Es galt erst mal unsere Zukunft, unseren Kindern Raum zu geben. Doch auch der Sohn fand am Ende seinen Weg und aus der mütterlichen Wohnung. Mich erstaunte es, wie schnell die Kinder der beiden selbstständig wurden. Hatte ich doch schon ganz andere Fälle erlebt.

Unzählige Episoden könnte ich noch einfügen. Alleine mein Erlebnis, bereits oben angedeutet, als ich 2004 alleine auf dem Motorrad fahrend und vollkommen unerwartet plötzlich wusste, wer ich bin. Weltliche Aufgaben ließen das wieder wegrutschen. Oder die Begegnungen und Erfahrungen, die ich mit Jesus hatte. Ganz viele Schätze und Perlen sind noch in mir abgespeichert. Es würde jedoch den Rahmen hier sprengen. Vielleicht entsteht daraus ja mal ein Buch. Schon oft erhielt ich von meinen Mitmenschen die Aufforderung eines zu schreiben. Ein Buch über das Buch in dem ich lebe. Ein Buch über das Leben und die Liebe.

Rund 1 Jahr, immer noch nicht ganz mit mir zufrieden, aber mit meiner Frau nun alleine lebend, konnte ich ungestört und ohne jemanden zu verunsichern, die Arbeit an mir wieder konzentriert aufnehmen und für mich vorerst zum Abschluss bringen. Vorerst, weil ich nicht weiß, was unser SCHÖPFER noch mit mir vor hat. Doch was es auch sei, ich freue mich darauf! Bis dahin freue ich mich weiter auf jeden, der meine Nähe und mit mir die Heilung für das GANZE sucht.

Berlin im November, 2017

 
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